Erst verstehen, dann verstanden werden!
Experte Thorsten Havener kennt die Bedeutung und Wirkung von Kommunikation aus jahrzehntelanger Erfahrung. Im Interview zeigt er unter anderem auf, wie effektive Kommunikation in Stresssituationen angewendet und wie schwierige Gespräche geführt werden können.
Wie wichtig ist Kommunikation im Führungsalltag einer Firma?
Kommunikation ist das Herzstück jeder erfolgreichen Führung, insbesondere im Handwerk. Hier geht es oft darum, präzise Anweisungen zu geben und sicherzustellen, dass alle im Team genau wissen, was zu tun ist. Doch es geht auch um das Zuhören und Verstehen der Anliegen der Mitarbeitenden. Gute Kommunikation ist der Schlüssel, um ein harmonisches und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Was sind häufige Kommunikationsfehler in Handwerksbetrieben und wie können sie vermieden werden?
Ein häufiger Fehler ist, dass Führungskräfte weder richtig zuhören noch genau hinschauen. Gerade die nonverbalen Signale (Körperhaltung, Mimik und Gestik) sagen oft mehr als Worte. Ein weiterer Mangel ist es, nicht ausreichend zuzuhören. Es gilt der Grundsatz: Erst verstehen,dann verstanden werden. Das heisst, dass die Führungskraft die Belange der Mitarbeitenden ernst nehmen muss, um im zweiten Schritt klare Anweisungen zu geben – in Richtung Ziel. Gute Führung heisst, weniger zu sagen, was gemacht wird als vielmehr zu machen, was die Situation erfordert.
Wie kann man in stressigen Situationen effektiv kommunizieren?
In stressigen Situationen ist es entscheidend, dass die Kommunikation klar und strukturiert bleibt. Führungskräfte sollten sich darauf konzentrieren, ruhig zu bleiben und ihre Botschaften deutlich und ohne Hektik zu vermitteln. Hierzu ist es sehr wichtig, Methoden zu kennen, die es ermöglichen, auch in stürmischen und hektischen Momenten innere Ruhe zu bewahren. Ich nenne solche praktischen Methoden «Mentalstrategien». Sie erlauben es uns, auch dann noch reflektiert und angemessen zu reagieren.
Da unsere innere Haltung zur äusseren Handlung führt, wird die Führungskraft dadurch mit Autorität sprechen und handeln. Menschen machen viel eher, was wir bei anderen sehen und nicht, was andere uns sagen. Daher werden die Mitarbeitenden einem Menschen, der diese innere Ruhe und Stärke ausstrahlt, eher glauben und folgen. Zusammenfassend bedeutet das: Wenn ich als Führungskraft von meinen Mitarbeitenden Pünktlichkeit und Liebe zum Detail fordere, hilft es nicht, wenn ich das nur sage, aber selbst selten pünktlich bin und selbst nicht auf Details achte.
Welche Rolle spielt nonverbale Kommunikation im Betrieb?
Körpersprache und Gestik sind im Handwerk besonders wichtig. Die Körpersprache einer Führungskraft kann erheblich dazu beitragen, wie ihre Anweisungen aufgenommen werden. Eine Person mit hohem Status steht sicher, hält klaren Blickkontakt und wirkt dabei durch eine offene Haltung dennoch nicht übermächtig. Körpersprache und Gestik machen die Emotion hinter einer Aussage sichtbar. Auch hier gilt: Die innere Haltung ist die äussere Handlung. Jede Aussage, die aus innerer Stärke heraus getroffen wird, wird stark wirken.
Wie können Führungskräfte ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessern?
Ich halte nichts davon, an Gesten oder Körpersprache rumzudoktern. Die richtige Körpersprache folgt auf den richtigen Gedanken. Hier setze ich an: Welche Werte und Ziele möchte ich als Führungskraft vermitteln? Wo bin ich als Führungskraft flexibel und worüber verhandle ich weder mit mir selbst noch mit anderen? Das ist der Schlüssel. Ich kann als Führungskraft zum Beispiel flexibel sein mit der Art, wie meine Mitarbeitenden ein vorgegebenes Ziel erreichen – aber bei der Qualität der Arbeit wird nicht verhandelt.
Wenn ich das genau weiss, werde ich als Führungskraft ernst genommen. Deshalb, weil ich für meine Werte stehe und sie selbst vermittle. Ein weiterer Schritt kann darin bestehen, sich seiner eigenen Kommunikationsmuster bewusst zu werden. Feedback von ausgesuchten Kollegen und Mitarbeitenden kann dabei sehr hilfreich sein. Hier würde ich aber sehr genau selektieren, denn wenn ich als Führungskraft zu viele meiner Mitarbeitenden befrage, kann sich das stark auf meinen Status auswirken. Überlegen Sie genau, wer im Kreis Ihres Vertrauens ist. Wählen Sie mit Bedacht. Es kann auch sehr nützlich sein, an Workshops oder Seminaren mit anderen Führungskräften teilzunehmen, um etwas bereits Gelerntes weiter zu vertiefen oder neue Mentalstrategien kennen zu lernen.
Wie sollte man schwierige Gespräche, wie Kritik oder Konfliktsituationen, im Handwerksumfeld führen?
Kritik und Verbesserungsvorschläge gehören zum Berufsalltag. Ich halte solche Gespräche mit der sogenannten «L-K-LFormel». Am besten, man beginnt das Gespräch mit einem Lob, dann äussert man die Kritik und schliesst danach mit einem Lob ab. Ein privates Beispiel: Als meine damals noch kleine Tochter einmal ein schlechtes Diktat mit nach Hause brachte, habe ich sie dafür gelobt, dass sie mir die Klassenarbeit von sich aus zeigte. Dann habe ich gesagt, dass wir noch ein wenig an der Rechtschreibung arbeiten werden. Abschliessend habe ich ihre schöne Handschrift gelobt. Mit dieser Methode verringern wir die Wahrscheinlichkeit, dass der andere sich sofort rechtfertigen will.
Welche Bedeutung hat die Anpassung des Kommunikationsstils an verschiedene Persönlichkeiten innerhalb eines Teams?
Es gibt eine vermeintlich «goldene Regel» in der Kommunikation: «Behandle den anderen so, wie du behandelt werden möchtest.» Das ist meines Erachtens ziemlicher Blödsinn. Der andere möchte vielleicht nicht so behandelt werden wie ich. Vielleicht bin ich eher diplomatisch und der andere mag eine direktere Ansprache. Oder ich bin sachbezogen und der andere möchte zunächst eine emotionalere Ansprache.
Der Schlüssel besteht hier darin, die Persönlichkeit der Mitarbeitenden zu kennen und dementsprechend zu reagieren. Welcher meiner Mitarbeitenden ist eher introvertiert, welcher eher extrovertiert? Wer ist eher Einzelgänger und wer arbeitet am liebsten im Team? Wem ist Sichtbarkeit wichtig und wem Harmonie? Wenn ich das als Führungskraft durchschaut habe, kann ich typengerecht kommunizieren. Die Regel sollte also heissen: «Behandle den anderen so, wie er behandelt werden möchte.»
Inwiefern beeinflusst die Unternehmenskultur die Art und Weise, wie Führungskräfte kommunizieren sollten?
Wie gesagt: Die Führungskraft sollte die eigenen Werte und Ziele verinnerlicht haben und die «Bestimmung» des Unternehmens verkörpern. Ich habe schon Vorträge für recht junge, aber sehr erfolgreiche Unternehmen gehalten, in denen die Führungskräfte kein grosses eigenes Büro oder sonstige Statussymbole hatten. Als sie aber den Raum betreten haben, war sofort klar, wer die endgültigen Entscheidungen trifft. Die Werte und die Ziele des Unternehmens sollten klar kommuniziert und auch von allen gelebt werden.
Wie die Ziele jedoch erreicht werden, kann flexibel gehalten werden. Meiner Meinung nach gibt es sehr viele Wege, die zu einem Ziel führen. Wenn ein Plan nicht aufgeht, dann sollte ich den Plan ändern – und nur selten das Ziel. Es sollte weniger die Unternehmenskultur sein, die bestimmt, wie die Führungskraft kommuniziert, sondern vielmehr sollte die Führungskraft im Einklang mit ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit kommunizieren, um authentisch zu wirken.
Wie können Führungskräfte ihre Kommunikationsfähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden?
Indem Sie meine Bücher lesen und meine Workshops besuchen ;-).
Bildquellen
Porträt Thorsten Havener: Bernt Haberland